Ein sozialrechtlich sehr spannendes Urteil hat gestern der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 466/16) gesprochen.
Im sozialgerichtlichen Instanzenzug ist zwar das Bundessozialgericht in Kassel für die Entscheidungen von grundsätzlicher Entscheidung zuständig. In diesem Fall ging es jedoch um einen sogenannten zivilrechtlichen Amtshaftungsanspruch, also praktisch ein Schadensersatzanspruch gegen eine Behörde wegen einer fehlerhaften Beratung.
Hier hat nun der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Ämter/Sozialleistungsträger die Bürger umfassend und lückenlos über mögliche Ansprüche im komplizierten System der verschiedenen Sozialleistungen beraten müssen und bei fehlerhaften Beratungen unter Umständen Schadensersatzansprüche denkbar sind. Dabei müssen die Behördenmitarbeiter ungefragt auf mögliche Sozialleistungsansprüche – auch anderer Träger – hinweisen, soweit ein erkennbarer Beratungsbedarf gegeben ist.
Ein sehr spannendes Urteil, dessen praktische Relevanz sich noch in Zukunft zeigen wird.
https://www.zeit.de/…/bundesgerichtshof-urteil-sozialleistu…
Ein Beispiel aus der Praxis, bei dem dieses Urteil relevant werden könnte: jemand bezieht Arbeitslosengeld 1 bei der Agentur für Arbeit. Das Arbeitslosengeld ist jedoch nicht so hoch, dass damit der Bedarf gedeckt ist, der sich aus dem Grundsicherungssystem („Hartz 4“) ergibt.
Hier muss die Agentur für Arbeit meines Erachtens ungefragt darauf hinweisen, dass möglicherweise ein aufstockender Anspruch auf ALG II (Hartz 4) beim Jobcenter besteht und hierzu ein entsprechender Antrag gestellt werden muss. Viele Menschen wissen nicht, dass sie Arbeitslosengeld und Hartz 4 gleichzeitig beziehen können, wenn das Arbeitslosengeld nicht ausreicht.
Dieser Hinweis der Agentur für Arbeit unterbleibt jedoch nicht selten, so dass kein Leistungsantrag beim Jobcenter gestellt wird, was zu erheblichen finanziellen Problemen der Betroffenen führen kann.
Dies könnte meines Erachtens eine Konstellation sein, in der das Urteil des BGH Anwendung findet (Schadensersatzanspruch gegen die Agentur für Arbeit wegen nicht ausreichender Beratung).