Heute beschäftige ich mich intensiv mit medizinischen Sachverständigengutachten.
Am Vormittag hatte ich zu diesem Thema zunächst eine ganz interessante (online-) Fortbildung. Eben habe ich dann ein orthopädisches Sachverständigengutachten in einer Rentenangelegenheit geprüft, das mir das Sozialgericht zur Stellungnahme übermittelt hatte.
In diesem Rentenverfahren hatten wir nicht nur orthopädische Beeinträchtigungen vorgebracht, sondern auch seelische Beeinträchtigungen bzw. Belastungsfaktoren. Das Gericht hatte zunächst einen Orthopäden mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
In diesem Gutachten stehen nun wieder Dinge, die mich immer wieder den Kopf schütteln lassen. Der orthopädische Teil des Gutachtens ist noch überzeugend und nachvollziehbar, auch wenn unter dem Strich leider nicht das Ergebnis steht, dass wir gerne gelesen hätten.
Was mich nun aber wirklich immer wieder nervt, ist, dass der Orthopäde zwar zunächst zutreffend darauf hinweist, dass er keine Fachkenntnisse auf dem psychiatrischen Fachgebiet hat, er dann aber doch Beurteilungen zu den seelischen Beeinträchtigungen abgibt. So wird dann beispielsweise sinngemäß vorgebracht, dass tatsächlich während der orthopädischen Untersuchung der Eindruck von erheblichen seelischen Beeinträchtigungen entstanden sei, er (der orthopädische Gutachter) den Schweregrad aber nicht abschließend beurteilen könne. Dann schreibt der Gutachter an anderer Stelle, die psychischen Faktoren könnten für die Gesamtbeurteilung eine gewisse Rolle spielen. Im nächsten Absatz teilt dieser Gutachter dann aber mit, er empfehle keine weitere Begutachtung auf einem anderen ärztlichen Fachgebiet, also auch nicht auf dem psychiatrischen. Muss man nicht verstehen.
Solche Ausführungen in einem medizinischen Sachverständigengutachten kann ich einfach nicht nachvollziehen. Der Orthopäde soll seine orthopädische Einschätzung abgeben und es hinsichtlich der psychiatrischen Erkrankungen einfach dabei belassen, auf seine fehlenden Fachkenntnisse hinzuweisen und die abschließende Beurteilung einem entsprechenden Fachmann überlassen.
Es ist jetzt meine Aufgabe als Anwalt, auf diese Unklarheiten und offenen Fragen hinzuweisen. Üblicherweise beschäftigen sich die Gerichte erst dann weitergehend mit dem eigentlichen Inhalt des Gutachtens. Ziel muss es in dieser Situation sein, das Gericht davon zu überzeugen, auf Kosten der Staatskasse eine weitere medizinische Begutachtung zu veranlassen, damit der medizinische Sachverhalt vernünftig und vollständig aufgeklärt wird.